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"The Biggest Loser"-Chefin Christine Theiss rät: Mach's einfach!

Die superfitte und -sympathische Ex-Kickboxerin Christine Theiss über ihre Schützlinge in "The Biggest Loser" (SAT.1) und das einzig wahre Erfolgsrezept beim Abnehmen und für mehr Körperbewusstsein.

 

 

 

 

Alle Jahre(szeiten) wieder plagen sie die meisten von uns - diese drei bis zehn Pfunde zu viel. Dabei ist es gar nicht so schwer, ein paar davon zu verlieren, wie uns Dr. Christine Theiss im Interview versichert. Wenn man es denn wirklich will und macht…
Die ehemalige Kickboxerin (* 22. Februar 1980) und Mama einer Tochter ist den TV-Zuschauern vor allem durch die Abnehm-Show "The Biggest Loser" (Die neue Staffel seit 15. Januar, SAT.1) bekannt. Wir trafen die tiefenentspannte zum Frühstück in einem Café und staunten nicht schlecht über den propevollen Käseteller, den sie sich bestellt. Müsste sie nicht einen grünen Fitness-Drink zu sich nehmen? Schlemmerei war doch gerade…

 

In "The Biggest Loser" kümmern Sie sich um sehr dicke Frauen und Männer. Wie kommt es zu solch extremen Übergewicht?

Es geht los mit Selbstbetrug. Etwa wenn man den Spiegel abhängt, oder sich keine neue Batterie mehr für die Waage kauft, wenn sie leer ist. Oder es werden nur noch Bilder vom Gesicht gepostet, aus einem schönen Winkel. Dazu kommt nach und nach der Frust, dass man es nicht schafft, abzunehmen. Das ist ein Teufelskreis. Wir hatten bei "The Biggest Loser" zwar schon Kandidaten, die sich 50 Kilo in zwei Jahren angefressen hatten, aber normalerweise ist Gewichtszunahme ein langsamer und schleichender Prozess, den man irgendwann nicht mehr stoppen kann.

 


Was unterscheidet die Kandidaten von Menschen, die schlank sind?

Wir haben alle unsere Phasen in denen wir mehr drauf haben. Doch Normalgewichtige haben ein Gefühl dafür, wann Schluss ist. Wenn ich heute einen Völlerei-Abend habe, sagt mein Körper morgen "Heute nicht so viel". Das fehlt bei sehr dicken Menschen, vor allem denen, die schon als Kind übergewichtig waren. Der soziale Druck, der dazu kommt, sorgt dafür, dass sie sich noch mehr Ersatzbefriedigung suchen. Dann trauen sich dicke Menschen nicht mehr ins Fitnessstudio, weil sie angeschaut werden. Sie walken vielleicht, werden aber auch blöd angeschaut. Oder es macht sowieso keinen Spaß. Dabei macht walken und joggen am Anfang nie Spaß. Man muss erstmal Kondition kriegen und dann erst kommt der Spaß.

 

Wie bekommt man denn ein Gefühl für seinen Körper?

Eigentlich sagt uns unser Körper alles. Deswegen: Horchen Sie in sich hinein! Ich war Leistungssportlerin und musste auf meinen Körper hören. Er war mein Arbeitsgerät. Wäre ich damit nicht pfleglich umgegangen, wäre ich nicht erfolgreich gewesen. Ich finde es übrigens erstaunlich, wie viele andere Sportler das nicht können. Sie behandeln ihre Körper, als wären sie Einwegrasierer. Nach dem Motto: Dann hol ich mir halt den nächsten.

 

Was will unser Körper?

Wenn man isst, ist man relativ schnell satt, hat aber noch Appetit. "Satt" ist das, was mein Körper sagt, "Appetit" ist das, was mein Kopf sagt. Der einfachste Trick: aufhören zu essen, wenn man satt ist. In der Regel ist es die Hälfte von dem, was auf dem Teller liegt. Schwieriger ist es bei Süßigkeiten. Die arbeiten mit dem Belohnungszentrum des Gehirns. Wenn man anfängt, eine Packung Schokolade zu essen - das kenn ich auch - ist es ganz schwer aufzuhören, weil das Hirn schreit "Mehr, mehr, mehr!" In diesem Fall: Kaufen Sie keine Süßigkeiten! Zur Süße-Entwöhnung sollte man sich erstmal dunkle Schokolade holen.


Wenn man keine Lust hat sich etwas zuzubereiten, macht man den Kühlschrank auf und guckt, was schnell geht. Da ist häufig Schokolade als schnelle Befriedigung dabei… Wie kriegt man sich in der Situation dazu, sich an den Herd zu stellen und etwas zu kochen?

Es gibt 1000 Rezepte, die nur fünf Minuten dauern. Mein Tipp: Legen Sie sich ein Portfolio an Gerichten zu, die schnell gehen. Vollkornnudeln sind in acht Minuten gekocht. Geschälte Tomaten dazu - die Dose aufzumachen dauert zwei Sekunden – und dann müssen nur noch ein paar Gewürze dazu. Das schmeckt und in zehn Minuten hat man ein Super-Essen. Das sogar schneller fertig ist, als auf die Tiefkühlpizza im Ofen zu warten. Ich habe übrigens immer einen Vorrat an Dosentomaten zu Hause. Und an Gewürzen. Arbeiten Sie mit Curry, Chilli, Cayenne-Pfeffer und Knoblauch. Und wenn Sie sich Fertignahrungsmittel besorgen, dann lesen Sie sich die Inhaltsstoffe auf der Packung durch. Wenn man nach dem vierten Wort schon nicht mehr weiß, was das sein soll, sollte man es besser lassen.


Jeder fünfte Deutsche ist übergewichtig.

Ja, wir neigen zu Extremen. Uns ist das Maß verlorenen gegangen, das Gespür für unseren Körper und die Wertigkeit des Essens. Es gibt andere Nationen, die viel mehr wert aufs Essen legen. In Frankreich und Italien zum Beispiel spielt Essen eine ganz andere Rolle im Leben. Da ist das Essen auch teurer. In Deutschland kriegt man Essen relativ günstig, es ist uns zu wenig wert.


Was halten Sie von "Light"-Produkten?

Diese Kunstprodukte finde ich persönlich seltsam. Es ist besser, das Urprodukt zu essen, aber in Maßen. Der Körper nimmt sich davon, was er braucht. Und er braucht Kohlenhydrate und braucht Fett und verarbeitet es auch! Es bringt nichts, auf etwas zu verzichten. Der Körper wird sich das, was ihm fehlt, mit aller Macht zurückholen.


Was ist das Hauptproblem unserer Gesellschaft, was unseren Körper angeht?


Wir hören einfach nicht darauf, was unser Körper sagt. Wir überhören alles solange, bis die Krankheit da ist. Und wir verlieren mehr und mehr das Wissen über unsere Lebensmittel. Überspitzt gesagt: Wenn unsere Kandidaten bei "The Biggest Loser" auf einer Verpackung eine grüne Schrift sehen, meinen sie, es ist gut. Die Leute lassen sich von der Werbung einfach für blöd verkaufen. Mit der Diät-Hysterie ist es ähnlich. Dabei ist es doch ganz einfach: Wenn man nicht zunehmen möchte, muss man genauso viel verbrennen, wie man zu sich nimmt und wenn man abnehmen möchte, muss man mehr verbrennen, als man zu sich nimmt. Das ist das ganze Geheimnis. Man braucht keine Abnehmmittel, keine großen Diäten.


Was sind die ersten Schritte, wenn man wirklich abnehmen möchte?

Wenn man so dick ist, dass es nicht nur mit drei Kilos getan ist, sollte man sich jemanden suchen, dem es genauso geht. Dann kann man sich gegenseitig in den Hintern treten. Außerdem belügt man sich weniger, wenn ein zweites Auge mit drauf schaut. Und wenn man gar keine Vorstellung hat, wie man das Ganze angehen soll, dann empfehle ich, in ein Fitnessstudio zu gehen. Dort sind Profis, die einem Übungen zeigen können, die helfen, wenn man schwer übergewichtig ist.


Was ist das Wichtigste beim Abnehmen?


Dass man anfängt! Und nicht jeden Morgen aufwacht, und sich denkt "Ich bin zu dick, ich muss was tun" – und dann nichts tut. Den einzigen Motivationstipp, den ich gebe, ist: Mach einfach, und grusle dich nicht schon vorher, vor dem was passieren wird. Ich war diese Woche drei Mal joggen. Ich hätte vorher darüber nachdenken können, dass ich joggen müsste, dass ich rausfahren muss, dass die ersten Meter kalt sind und so weiter und so fort. In der Zeit, in der man das alles denkt, sitzt man schon im Auto und fährt los. Und wenn man es dann gemacht hat, ist man mega-stolz auf sich. Denken Sie an das schöne Gefühl hinterher! Wie zufrieden Sie mit sich sind, wenn Sie Ihrem inneren Schweinehund so richtig eine verpasst haben. Denken Sie vorher nicht an die Dinge, die im Weg stehen, sondern an die wohlige Zufriedenheit hinterher.

 


Was halten Sie von dem Begriff "Plus-Size", der vor allem in der Modeindustrie verwendet wird?

Plus-Size ist auf dem Laufsteg alles ab Größe 38. Bei „normalen“ Models kann man ja kaum von normalen Menschen sprechen, also bloß nicht zum Vorbild nehmen! Es gibt einfach verschiedene Figurtypen. Manche sind dürr, manche sind pummelig, aber das ist die ganz normale Bandbreite. Bei "The Biggest Loser" geht es ja auch nicht darum, in Kleidergröße 36 zu passen. Ja, manche unserer Kandidaten schaffen das. Aber viel wichtiger ist mir, dass sich die Leute wieder in den Spiegel ansehen möchten, dass sie wieder auf die Straße gehen, dass sie nicht mehr eingeschränkt sind und Sport machen. Wir müssen am Ende nicht alle Einheitsgröße haben und geschniegelt und gestriegelt dastehen.


Ab welcher Kleidergröße sollte man was machen?

Man muss sich spätestens dann Gedanken machen, wenn etwa der Blutdruck steigt. Und, wenn man anfängt, sich zu schämen und sich nicht mehr in seiner Haut wohlfühlt. Denn dann ist man mit sich selbst nicht mehr im Reinen. Wenn man Kleidergröße 46 hat und zufrieden ist, haben die anderen ein Problem. Wobei 46 für mich eine Grenze ist, ab der es unter bestimmten Umständen problematisch werden könnte. Übrigens: Es ist medizinisch bewiesen, dass Menschen, die leicht übergewichtig sind und Sport machen, gesünder leben als die Dürren, die keinen Sport machen.


Eine kleine Diät steht an, man möchte sich bewusster ernähren und man steht im Supermarkt.

Nie hungrig einkaufen gehen! Gehen Sie auch nicht hungrig in die Stadt, wenn sie abnehmen möchten. Da stehen überall Fressbuden. Lieber vorher eine Vollkornsemmel essen, die hält stundenlang satt.


Was soll man einkaufen?

In der Bäckerei nebenan zunächst ein frisches, hochwertiges Vollkornbrot. Das ist zwar teurer, bleibt aber auch ewig frisch. Auch ansonsten Vollkornprodukte kaufen, denn die haben zwar manchmal eine höhere Kalorienanzahl, halten aber dafür länger satt. Außerdem steht im Supermarkt ein langer Aufenthalt in der Gemüseabteilung an. Als Alternative kann man auch in der Tiefkühlabteilung nach gefrorenem Gemüse schauen. Das ist genauso gut, manchmal sogar besser, weil das Gemüse gleich nach dem Feld eingefroren wird, ohne dass Vitamine verloren gehen. Nur bitte: Auf keinen Fall behandeltes oder zubereitetes Gemüse kaufen! Dann ab zur Kühltheke. Nehmen Sie ruhig Käse! Verzichten Sie aber auf Wurst und greifen Sie wenn dann nach Schinken. Lassen Sie die Fleischabteilung aus. Einmal die Woche hochwertiges Fleisch zu essen reicht, mehr Fleisch braucht der Körper nicht. Links liegen lassen Sie die Fanta- und Cola-Abteilung. Es ist Blödsinn sich die Kalorien übers Trinken zuzuführen. Ansonsten: Süßkram und Alkohol weglassen. Gutes Essen, guter Wein gerne, aber nicht jeden Abend. Bier hat übrigens sehr viele Kalorien. Trinken Sie lieber alkoholfreies Bier. Ein alkoholfreies Weizen hat die Hälfte der Kalorien einer Apfelsaftschorle!


Und wenn man dann kocht, sollte man wissen, was drin ist. Wenn Sie jemand fragt, was in dem Essen drin ist, dann sollten Sie es aufzählen können. Oder wissen Sie, was in der Tiefkühlpizza ist?


Zur gesunden Grundeinstellung gehört auch Bewegung. Was raten Sie Sportmuffeln?


Bringen Sie Bewegung in Ihren Alltag! Wenn Sie im vierten Stock arbeiten, sollte der Aufzug tabu sein. Die Treppe ist keine Schande, sondern eine super Gelegenheit, sich zu bewegen. Lassen Sie doch auch mal das Auto stehen und fahren Sie mit dem Fahrrad. Oder, wenn Sie mit dem Auto fahren, dann parken Sie nicht direkt vorm Haus, sondern drei Straßen weiter. Ein weiterer Tipp: Machen Sie morgens während des Zähneputzens Kniebeugen. Oder setzten Sie sich an die Wand dabei. Das alles ist wichtig, um Muskulatur aufzubauen, denn die verbrennt permanent Kalorien. Je höher der Muskelanteil, desto höher der Grundumsatz  - das ist das, was man verbraucht, wenn man nichts macht, sondern nur rumliegt. Es lohnt sich also, Muskeln an Po und Oberschenkeln aufzubauen, weil man mehr essen kann. Und man bekommt als "Abfallprodukt" einen schönen Hintern.

 

Interview & Text: Melanie Kroiss

Foto: Thomas & Thomas