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"I Love Dick"-Interview mit Superstar Kevin Bacon

Die beruflich frustrierte Enddreißigerin Chris (Kathryn Hahn) kommt mit ihrem Mann Sylvere (Griffin Dunne) ins texanische Kaff Marfa. Hier lernt das Paar den Möchtegern-Cowboy und Künstler Dick (Kevin Bacon) kennen. Und verfällt ihm auf jede nur erdenkliche Art ... Und jetzt steht sie vor uns, die leibhaftige Sehnsuchts-Figur: Groß, hager, tiefe Stimme, ein leichtes Grinsen im Gesicht. „Ich liebe diesen Kerl, er ist großartig“, gibt Kevin Bacon (*8. Juli 1958) auch gleich zu. Er glaubt, dass I Love Dick (ab 9. Juni synchronisiert auf Amazon Prime Video) großes Potenzial für Diskussionen bietet. Dafür sorgte schon die Buchvorlage von Chris Kraus. Als die 1997 erstmals erschien, wurde sie entweder in den Himmel gelobt oder verrissen. Bacon jedenfalls rechnet fest mit weiteren Folgen...


In Episode Eins ihrer neuen Serie "I Love Dick" auf Amazon Prime Video sieht man Sie gleich in Ihrer ersten Szene hoch zu Ross. Sie reiten gerne, nicht wahr?


Ja! Als ich im Drehbuch las, dass ich reiten sollte, fand ich's großartig. Die Macher waren aber so nervös, dass sie mich erst mal zwei Stunden lang nur im Kreis reiten ließen, um für die Szene zu trainieren. Das war echt öde. Ich wäre gerne mehr geritten. Vielleicht in der nächsten Staffel.


Wie heißt denn das Pferd?


Cisco! Ein Filmpferd, speziell trainiert. Sehr ruhig. Viel ruhiger, als ein Pferd sein sollte.


Sie spielen in "I Love Dick" den titelgebenden Dick. Was ist das für ein Kerl?


Er ist ein Künstler und Möchtegern-Cowboy. Ein Bildhauer, der sich in dieser texanischen Kleinstadt Marfa ein kleines Reich erschaffen hat, in dem er König sein kann. Er ist ein großer Fisch in einem kleinen Teich – und ein Mann am Scheideweg seines Lebens. Er steckt fest, stellt seine künstlerische und sexuelle Kraft genauso in Frage wie den Wert von allem, was er je geschaffen hat.

Macht es Ihnen Spaß, jemanden wie Dick zu spielen?

Absolut! Ich liebe den Charakter. Er ist großartig. In dem Buch, auf dem die Serie basiert, existiert dieser Mann lediglich als eine Idee. Für die Serie hatte ich die Möglichkeit ihn mit den Autoren zu entwickeln. In der Pilotfolge ist er erstmal sehr eigensinnig, eitel und herablassend zur Hau ptfigur Chris Kraus. Das ist cool, wäre aber für einen Schauspieler über viele Folgen hinweg nicht befriedigend. Die Macher haben es mir ermöglicht, ihn komplex zu zeigen, um ihn auch zu verstehen. Gute Charaktere und kreative Herausforderungen zeigen sich auf tieferer Ebene ganz anders als an der Oberfläche.

 

Was für ein Genre ist "I Love Dick"?


Ich denke, es ist Comedy! Allerdings keine, die dich dauernd zum Gackern bringt. Es steckt nämlich auch Drama drin und viel Sex.


Vor allem auf Seiten des Ehepaars Chris (gespielt von Kathryn Hahn) und Sylvere (Griffin Dunne), die beide Dick verfallen.


Ihre Ehe bringt viele sexuelle Herausforderungen mit sich. Dazu ihre Besessenheit mit Dick. Dabei berühren sie ihn noch nicht einmal, sondern schreiben ihm Briefe. Das ist eine sehr bizarre Annäherung an deren eigene Sexualität. eine Folge in der ersten Staffel dreht sich nur um weiblichen Charaktere und darum, wie sie zu ihrer Lust stehen. So etwas sieht man nicht oft. Das ist manchmal lustig, manchmal sexy, manchmal unbequem.


Wer sollte sich die Serie also ansehen?

Ich finde, einfach jeder sollte sie sich ansehen!


Das mussten Sie jetzt sagen!

Natürlich! (lacht) Nein, wirklich: Jeder sollte sie schauen! Ich hab sie Freunden empfohlen. Ihre Reaktionen waren verblüffend unterschiedlich. Jill Soloway (Autorin und Regisseurin, u.a. Transparent, Produzentin von "I Love Dick") verriet mir, dass mehr als ein Paar gestand, dass die Serie sie geil gemacht hätte. Ist das nicht cool?


Ist die Hauptfigur Chris, die in eine sexuelle Lebenskrise gerät, eine typische amerikanische Frau in ihren späten 30ern?


Ehrlicherweise weiß ich nicht, wie eine typische amerikanische Frau ist. Aber ich denke, es gibt Frauen, die Chris' Gefühle, ihre Kämpfe und ihre Sehnsüchte nachvollziehen können.  


In der Pilotfolge doziert Dick darüber, warum weibliche Regisseure nicht erfolgreich sind, um Regisseurin Chris vorzuführen.

Er sagt, dass Frauen nicht Regie führen können, weil sie vor allem damit beschäftigt sind, gegen Unterdrückung anzukämpfen. Und damit das klar ist: Wenn ich eine Rolle spiele, ist das, was aus meinem Mund kommt, die Rolle und nicht das, was ich glaube. Aber zur gleichen Zeit muss ich glauben, was die Figur glaubt. In dieser Szene versuche ich also die Independent-Regisseurin Chris fortzustoßen, weil ich sofort erkenne, dass sie mich begehrt. Mein altes "Ich" hätte sie sich genommen und ihre Ehe kaputt gemacht. Aber ich habe mich dafür entschieden, so etwas nicht mehr zu tun. Stattdessen beleidige ich sie. Die Aussage aber, dass es Frauen im Filmgeschäft schwerer haben, ist wahr.

 

Dick beharrt jedoch darauf, dass Filme von Frauen nicht gut sind.

Ich finde diesen Satz sehr interessant: Wenn jemand so etwas von sich gibt, hat der Zuschauer die Chance zu sagen "Nein, der liegt total falsch!" Oder eben "Vielleicht hat er Recht". Eines sollte man über diese Szene aber unbedingt wissen: Sie wurde von Frauen geschrieben!

 

Fotos: © 2016 Amazon.com Inc.

Interview: Sabine Krempl/Melanie Kroiss